ICAREX 35 - die tragische Gestalt der Zeiss-Ikon-Werke (1966-1972)
(c) Frank Mechelhoff                                                                                               
Update 26. November 2009

Ende 1965 sind die ZEISS-IKON Werke in Stuttgart in einer schwierigen Situation. Die Verkaufszahlen gehen kontinuierlich in den Keller nachdem immer mehr japanische Cameras den Deutschen und internationalen Markt überschwemmen. Das Problem ist nicht dass diese Cameras billiger sind als deutsche - sondern dass sie gleich gut sind und in manchen Punkten sogar besser (TTL-Belichtungsmessung). Außerdem schaffen sie es schon im nächsten oder übernächsten Jahr eine Modifikation einzubauen und den Kunden mit netten Features zu überraschen. Deutsche Firmen hingegen versuchen den Kunden zu erklären dass die Herren Ingenieure eigentlich besser wissen wie Kameras zu funktionieren haben, und modifizieren sie nur unwillig und langsam.

Die Cameras des nach eigenem Anspruch besten Cameraherstellers der Welt ZEISS-IKON verstauben bald in den Auslagen der Fotofachgeschäfte. Gegen die neuen aus Japan sehen sie groß, klobig und altmodisch aus. Man verlässt sich auf alte bewährte Namen wie Contaflex, Brilliant, Bessamatic, und das Flagschiff Contarex. Dessen Konzepte stammen jedoch alle aus den 50'ern und inzwischen hat sich die Technik schneller weiterentwickelt als die behäbige Modellpolitik von Zeiss-Ikon zu dem seit 1965 auch Voigtländer vertrieblich dazu gehört. Die Kunden haben neuerdings eine große Auswahl und sind anspruchsvoll geworden - eine Mittelklasse-Camera entspricht dem Gegenwert eines Monatslohns oder mehr... Sie erwarten bei einer SLR schnelle Bedienbarkeit: Schnellspannhebel und Rückspulkurbel selbstverständlich, Pentaprisma, Rückschwingspiegel, einfach zu wechselnde, lichtstarke Objektive, eingebauten gekuppelten Belichtungsmesser. Das bieten japanische Cameras inzwischen öfters als deutsche. Belichtungsautomatik gibt es erst ganz vereinzelt. Der Durchschnittsfotograf würde auch nicht danach verlangen weil er seine Zeit und Blende noch selbst einstellen kann.

1963
Zwei Jahre zuvor hatte Voigtländer einen Prototypen vorgestellt, die Bessaflex. Diese vom jungen Konstrukteur Walter Swarofsky entwickelte hübsche SLR mit Schlitzverschluß, wechselbarem Sucher und Rückschwingspiegel sollte die Zentralverschluß-Bessamatic ablösen, war aber von der Firmenleitung (Zeiss-Ikon/ Voigtländer) verworfen worden trotz des angepeilten günstigen Einstiegspreises von 398,- DM (mit Lichtschachtsucher und dem einfachen dreilinsigen Panthar-Objektiv).
Vermutlich weil man ahnte dass mit einer (Voigtländer) Bessaflex im Programm niemand mehr die (Zeiss-Ikon) Contaflex gekauft hätte...

Bessaflex
Das Design der Bessaflex ist in ihrer einfachen klaren Linie fast japanisch. Das große Zeitenwahlrad ist um den Schnellspannhebel herum angeordnet. Hier gezeigt mit einem Sucherprisma ohne TTL-Belichtungsmessung -- die gibt es noch nirgends serienmässig; man wartet auf die bereits 1960 angekündigte Pentax Spotmatic, die aber erst 1964 auf den Markt kommen wird. Die Wechselmöglichkeit des Suchers hat sie der seit einem Jahr gebauten Pentax SV voraus, dafür ist sie minimal größer und es fehlt die Möglichkeit einen gekuppelten Belichtungsmesser anzuschließen. Vermutlich hat sie bereits das spätere Icarex Bajonett. Auf den einzig erhalten gebliebenen Fotos sehen die Objektive den später in Serie produzierten bereits sehr ähnlich.
FAZIT: Diese Camera hätte es gebracht, wenn man sie 1963 herausgebracht hätte. Mit ihr wäre die weitere Geschichte von ZEISS-IKON/ VOIGTLÄNDER anders (und sehr wahrscheinlich: besser) verlaufen!

1966 - Zeiss-Icon/ Voigtländer Icarex
Fehler Nummer eins also war, die Bessaflex nicht sofort in Serie zu nehmen, sondern erst drei Jahre später. Fehler Nummer zwei war, sie nach dieser Zeit noch nicht einmal technisch zu überarbeiten. Der Cameramarkt ist schnellebig geworden, inzwischen setzt die Pentax Spotmatic den Standard in der SLR Mittelklasse. Fehler Nummer drei: anstatt der technischen Überarbeitung verunstaltet man ihr Äußeres, macht aus der schnörkellosen abgerundeten Form ein typisches "Zeiss-Ikon-Brikett". Bis hin zur Karikatur eines Schnellspannhebels...

Icarex - Ultron
icarex cds sucher
Icarex 35 TM (Thread Mount/ M42) mit Spitzenobjektiv Carl Zeiss (eigentlich Voigtländer) Ultron 1.8/50mm mit konkaver Frontlinse (Diagramm hier)
Ungekuppelter TTL-Wechselsucher: DM 100,-- Aufpreis (Objektiv Tessar 2.8/50)

Die wechselbaren Sucher sollen vermutlich der ostdeutschen Exakta die Stirn bieten die noch immer als Hauptkonkurrenz betrachtet wird - aber wie diese hat sie mit dem Standardprisma keinen Belichtungsmesser. Das ist leider bloß Stand der frühen Sechziger Jahre und der Konkurrenz hoffnungslos hinterher.
Obwohl man mit der Contaflex Super BC bereits 1965 eine (voll gekuppelte!) TTL-Belichtungsmessung im Sucher realisiert hat, und die Voigtländer Ultramatic CS ebenfalls, kommt ein Sucher mit TTL-Belichtungsmesser zur Icarex - Icarex 35CS genannt - erst 1969 heraus. Und dieser ist nicht Verschlußzeiten- oder Blendeneinstellung gekuppelt (wie das bei japanischen Cameras seit 1962 selbstverständlich ist) und damit hoffnungslos umständlich ! Hallo??? Natürlich ist eine mechanische Kupplung mit einem nahe dem Prisma sitzenden Verschlußzeitenrad wie bei Spotmatic oder Nikon F mechanisch simpler zu realisieren. Aber man muß es ja unbedingt anders, komplizierter, eben "deutsch" machen...
Ebenfalls 1969 kommt das Modell Icarex 35S hinzu - hier ist der Sucher fest eingebaut und mit gekuppeltem TTL-Belichtungsmesser. Endlich - nun endlich hat man genau das im Angebot was eine Pentax Spotmatic bereits seit 1964 kann, zu 1/4 weniger Gewicht und in einem kompakteren und auch optisch gefälligeren Gehäuse! Was kann einem dazu eigentlich noch einfallen?

  Icarex 35S

Nachdem man jahrzehntelang vom "ostdeutschen" M42 nichts wissen und sich zwanghaft abgrenzen wollte, kommt viel zu spät die Einsicht: Neben dem BM (Bajonett Mount) - schade dass man anstelle des Spezialbajonetts nicht wenigstens das Contarex-Bajonett baut - wird eine Icarex 35 TM bzw. 35S TM (Thread Mount) nachgeschoben, und das ist genau jenes früher verachtete M42. Die ostdeutsche Praktica LLC bietet unterdessen (1969) eine TTL-Offenblendmessung in einer SLR mit M42 Schraubgewinde. Außerdem fehlt der Icarex ein überaus sinnvolles feature der Zentralverschluß-SLR Ultramatic, das die Contarex ebenfalls bietet, nämlich die Blendensteuerung - die Ultramatic hat sogar Blendenautomatik - hat man es vergessen oder ist es dem Rotstift zum Opfer gefallen? Nein, man baut es wahrscheinlich deshalb nicht ein, um künstlich einen "Abstand" zum Contarex-Flaggschiff herzustellen - das traurigerweise bloß fast niemand mehr kauft...

Warum ist die ICAREX nun die "tragische Gestalt" des Zeiss-Ikon / Voigtländer Konzerns?
Nun, anders als der griechische Held Ikarus, kam sie nie auch bloß in die Nähe der Sonne, wo ihre Flügel hätten schmelzen können. Eher kam sie nie richtig vom Boden weg. Und ein "Rex" (König) wie die Contarex ist sie erst recht nicht. Sie ist nirgendwo richtig positioniert: Um die Bessamatic und Contaflex ablösen zu können fehlt ihr die komfortable Offenblendmessung. Die Ultramatic hat ihr die Blendenautomatik voraus. Zum Ersatz der "S-Klasse" Contarex reicht es hinten und vorne nicht. So war sie nur eine fünfte gleichzeitig gebaute SLR-Familie irgendwo in der Mitte, inkompatibel zu allen anderen Systemen die man Ende der 60'er Jahre verkaufte. Kein Wunder dass jeder Fotofachverkäufer damit überfordert war. Ihr Mißerfolg, den wahrscheinlich auch die Mitarbeiter die sie bauten und Fotofachhändler ahnten, besiegelte das Ende der Zeiss-Ikon Cameraproduktion im Jahr 1971. Sie ist nicht mal teurer sondern sogar billiger als die in die Jahre gekommene Pentax Spotmatic und verkauft sich trotzdem nicht.
Die Kunden sind nicht blöd, sie wissen warum sie eine Camera kaufen oder nicht kaufen. Trauriger geht es wirklich nicht!
Eine letzte Nachbesserung ist die Offenblendmessung in der SL706, aber jetzt ist es zu spät... Die böse Rache der schlecht vermarkteten ICAREX an der westdeutschen Cameraindustrie ist, dass sie als Wiedergänger bei den Zeiss-Ikon-Nachfolgern herumgeistert - bis hin zur Voigtländer VSL-1, deren Mißerfolg ROLLEI in größte Schwierigkeiten bringen wird...

Icarex 35S
Die ICAREX 35S TM ist etwas für Fotografen die manuelle M42 Cameras mögen, denen eine Pentax Spotmatic aber zu gewöhnlich, zu leicht, oder zu wenig "Made in Germany" ist...
Die Handhabung ist ein bisschen eigentümlich. Von links nach rechts: Schwergängiges Verschlußzeitenrad mit 1-1/1000s und B um den massiven Vorspannhebel herum. Das Rädchen um den Auslöser herum ist keine Verriegelung sondern die Filmempfindlichkeitseinstellung. Man beachte das luxeriöse Fenster mit DIN und ASA oberhalb! Der Zubehörschuh auf dem Prisma ist leider ohne Mittenkontakt! Im Prisma wird die Blende eingespiegelt (Erfindung der Bessamatic) - der Blendenring des Objektivs ist ohne Klickstops. Zum Belichtungsmessen muß der Verschluß gespannt sein und der Abblendknopf gedrückt werden. Das Zeigerinstrument ist rechts oben neben dem Prisma, und im Sucher zu sehen. Leider nicht die eingestellte Verschlußzeit! Ganz rechts um die Rückspulkurbel, mit Kunststoff-Hebel, das überdimensionierte Film-Erinnerungsrädchen. Das Bildzählwerk zählt nun wieder additiv, wie üblich - nicht wie bei einer Contarex - ist aber nicht auf der Oberseite sondern in der Rückwand angebracht (wo es auch die Bessamatic/ Ultramatic haben). Sie wiegt 814g ohne Objektiv - eine Pentax Spotmatic die es schon 4 Jahre länger zu kaufen gibt und haargenau dasselbe leistet wiegt mit Objektiv 750g - wen wundert es dass diese Camera fast niemand haben will?

Icarex mit Takumar
Deutsche Zeiss-Ikon Camera mit japanischem M42 Screwmount Objektiv - kein Sakrileg - an der Icarex 35S TM kein Problem!

Die ICAREX- Objektive (für Icarex-Bajonett und M42) werden, wie die Cameras im Voigtländer-Werk in Braunschweig-Gliesmarode gefertigt, sind aber mit CARL ZEISS gelabelt (Voigtländer ist seit 1956 100%-ige Zeiss Ikon Tochter, denen auch Carl Zeiss gehört)
Es handelt sich überwiegend um optische Rechnungen der VOIGTLÄNDER AG (Design A.W.Tronnier bzw. Tronnier's Büro) aus der Zeit der Bessamatic/ Ultramatic Serie (ab 1958)
Das Objektivprogramm ist weder vom Umfang her, noch von den erreichten Lichtstärken mit den Japanern (Pentax, Nikon, Canon, Minolta) konkurrenzfähig. Obwohl es sich um ältere Rechnungen handelt (Linsenschnitte siehe hier), stehen einige der Objektive noch nicht einmal zum Verkaufsbeginn der ersten Icarex zur Verfügung sondern kommen erst später in den Handel.

ICAREX Objektive (1966-1972)

Linsen/ Gruppen
Filter
Preis DM
Herstell.-Zeit

Carl Zeiss Distagon 4/25mm
7/ ?
B50
?
'72
Neue Carl Zeiss Rechn. (auch f. Contaflex 126)
Carl Zeiss Skoparex 3.4/35mm
6/5
B50
213,- ('71)
'68-'72
Zwei Jahre nach dem Icarex-Start kann man schon das erste Weitwinkel kaufen (obwohl es bereits am Bessaflex Prototypen 1963 abgebildet ist!). Geringfügig modifiziertes Bessamatic-Objektiv (1959); gutes Weitwinkel, vergleichbar dem Super-Takumar 3.5/35mm - Pentax hatte allerdings auch noch ein 2.0/35 im Programm.
Carl Zeiss Ultron 1.8/50mm
7/6
B50
279,-('68)
238,50('71)
'68-'72
Neue Voigtländer Rechn. (1968)
Carl Zeiss Tessar 2.8/50mm
4/3
B50
139,- ('71)
'66-'72
Altes Voigtländer Color-Skopar (1952); besser als das Zeiss Tessar
Zeiss Ikon (!) Color Pantar 2.8/50mm
3/3
B50
85,- ('71)
'66-'72
Einen Dreilinser mit Frontlinsenverstellung als SLR-Einsteigerobjektiv (das gab's auch bei den Japanern nicht); vermutlich identisch mit Color-Lanthar zur Bessamatic (1964)
Carl Zeiss Dynarex 3.4/90mm
5/3
B50
295,- ('68)
'66-'72
Bessamatic-Design (1960); stolzer Preis für die Lichtstärke, aber sehr kompakt
Carl Zeiss Super-Dynarex 4/135mm
4/3
B50
265,-('68)
232,50('71)
'68-'72
Bessamatic-Design (1959), zu lichtschwach (für die Contarex gab's ein 2.8/135 von Zeiss)
Carl Zeiss Super-Dynarex 4/200mm
5/4
77mm
495,-
'68-'72
Bessamatic-Design (1962); nicht in M42
Carl Zeiss Zoomar 2.8/36-82mm
14/11
95mm
875,-('68)
'68-'71
Bessamatic-Design (1959); einziges Zoom zur Icarex, nicht in M42
Carl Zeiss Telomar 5/400mm
3/2
95mm
820,-('68)
'68-'72
nicht in M42. Gute Lichtstärke, vergleichsweise preiswert

Bis 1968 werden die Bajonett-Mount (BM) Objektive mit hellem Leichtmetall-Blendenring geliefert, danach (1968-1972) schwarzen Kunststoffring mit "Ohren".
Die M42 Objektive (TM) immer mit schwarzem Kunststoffring.
Die Blendenringe haben keine Klickstops.
Einzig das Zeiss Ultron wurde für diese Reihe neu entwickelt (Design A.W.Tronnier) - optisch auf allerhöchstem Niveau.
Norman Goldberg schreibt  in Popular Photography Juli 1969:
"Chromatische Aberrationen so niedrig wie noch nie gesehen... Farbquerfehler nicht zu entdecken... Astigmatismus unmessbar... Bildpunkts-Verschiebung aufgrund von Restbeträgen sphärischer Aberration zwischen f/1.8-5.6 bloß von 0.05mm... koma-bedingtes Streulicht war vollständig verschwunden bei f/5.6... auf der optischen Bank zeigen sich sehr hohe Kontrast-Leistungen, zählen zu den höchsten in meiner Erfahrungs-Praxis. Die optimale Öffnung ist f/5.6, aber die Bildleistung bei f/2.8 ist gleich derjenigen der meisten anderen Objektive bei f/5.6. Bei f/4 übertrifft dies Objektiv die maximale Bildleistung von nahezu jedem anderen getesteten Objektiv dieses Typs. Die Bildleistung war bei unendlich besser als bei Nah-Entfernungen."
"Getestete Auflösung auf Platte 380 Linien pro Milimeter" (A. Tronnier jr.)


SL706 lenses
Links: Skoparex 3.4/35, rechts Ultron 1.8/50 - Objektive für SL706 (M42)

Die Icarex kann man übrigens nicht mehr als "rein mechanische", "elektronikfreie" SLR bezeichnen - schauen Sie sich mal die Bilder der geöffneten Camera hier an...

Was wäre die "bessere ICAREX" gewesen?

Es genügt sich im ZEISS-IKON Konzern umzusehen um die Lösung zu finden. Es gab seit 1966 eine SLR mit senkrecht laufendem Schlitzverschluß, TTL-Offenblendmessung, Objektivanschluß per Bayonett (mit Blendensteuerung) und vollwechselbaren Objektiven - für das 126er "Instamatic" Cassettenformat, ein damals gängiges Quadratformat 28x28 mm für Point& Shoot Cameras - von "richtigen" Fotografen eher belächelt. Sie sollte sogar Icarex-126 heissen, aber man benannte sie in Contaflex-126 um - obwohl sie mit dieser Camerafamilie nicht das geringste zu tun hatte. Vor ihr wurden - und zwar ausschließlich in Deutschland - 25.000 Stück gebaut. Die richtige Camera zum falschen Film.
Sie hatte sogar (mechanisch gesteuerte) Blendenautomatik - 10 Jahre vor der CANON AE-1. Allerdings fehlte ihr als Point&shoot Camera eine manuelle Blendeneinstellmöglichkeit - die Wechselobjektive hatten keinen Blendenring. Zweitens fehlte ihr ein Rückschwingspiegel - wahrscheinlich weil die Contaflex (leider) ja auch keinen hatte...wer sowas mit dem Namen ZEISS-IKON wollte musste wesentlich tiefer in die Tasche, und zur Contarex greifen... und genau wegen dieses zwanghaft hergestellten "Abstands" zur Hochpreis-Contarex (die ohnehin fast niemand mehr kauft) fährt man binnen fünf Jahren den Konzern vor die Wand!

Icarex 126
Icarex für 126er Kassettenfilm (28mm x 28mm)

Diese Camera (zu der es zuletzt 7 Carl-Zeiss Wechselobjektive gab - eine ziemliche Verschwendung für das unplane Cassettenformat) kostete (1967, mit dem Tessar 2.8/45) 598,- DM

Wie hoch waren damals die Preise der Konkurrenz ?
Originalpreise (Stand Juli 1966; außer Contarex 1968, Icarex 1970, Zentralverschluß SLR in kursiv

Zeiss-Ikon Icarex 35CS mit 2.8/50
682,-
Zeiss-Ikon Contaflex Super-BC mit 2.8/50
799,-
Asahi Pentax Spotmatic mit 1,8/55
850,-
Canon FX mit 1,8/50
863,-
Voigtlaender Ultramatic CS mit 2,0/50
989,-
Minolta SR-T 101 mit 1,4/58
998,-
Nikkor F Photomic T mit 2/50
1404,-
Leitz Leicaflex mit 2/50
1578,-
ZI Contarex "S" mit 2/50
2080,-

Spekulieren wir mal ein bisschen: Was hätte die Icarex/ Contarex 126 wohl als 35mm-Film-SLR mehr gekostet?

Verkaufspreis der Icarex 126
598,-
Größeres Objektivöffnung wegen des 35mm breiten Formats
10,-
Rückschwingspiegel
20,-
Blendeneinstellung am Cameragehäuse nächst dem Bayonett (Ring mit Blendenstufen 1.4-22 und "A")
45,-
Schlitzverschluß niedriger (24 statt 28mm) und breiter (35 statt 28mm).
kostenneutral
Aufwendige Mechanik zur Cassettenabtastung, Filmtransport entfällt - die entsprechenden Komponenten für 35mm Film sind simpler. kostenneutral
Verbesserungen beim Verschluß: 1/1000s zusätzlich, Hemmwerk für 2. Verschlußvorhang, 1/15 bis 1s zusätzlich als Einstellmöglichkeit
45,-
Motoranschlußmöglichkeit
10,-
Attraktaktives Einsteigerobjektiv (Tronnier's ausgezeichnetes Color-Ultron 1.8/50mm) - Mehrkosten gegenüber dem Tessar
100,-
Summe
828,-

Na sowas, günstiger als eine Spotmatic..! Und sie hätte ihr Offenblendmessung und Blendenautomatik voraus gehabt!

Merken Sie was? Eine solche Camera hätte ruhig teurer sein können als die Icarex 35 - sie wäre trotzdem ein Knaller geworden ! Keiner der hier aufgeführten Schlitzverschluß-SLR hatte zu der Zeit eine Blendenautomatik zu bieten. Rein mechanisch zu realisieren. Die CANON AE-1, von der 10 Jahre später 5 Millionen Stück verkauft wurden, wäre kalter Kaffee gewesen. Bestenfalls eine dank Mikrocomputer miniaturisierte Variante.  Ganz nett, aber nicht revolutionär... Davon abgesehen dass die Deutschen, wenn sie weiter wach geblieben wären, wohl auch das hinbekommen hätten. Und es hätte wohl nie einen Run auf Cameras mit Zeitautomatik gegeben - die PENTAX vor allem deshalb baute weil ihr M42-Gewinde, wie auch das K-Bayonett der ersten Version, gar keine Blendenübertragung erlaubte... da Pentax zu jener Zeit Marktführer war glaubte man ihnen dass Zeitautmatik "besser" sei als Blendenautomatik, was gar nicht stimmt. Und erst ihr Erfolg rief die Nachahmer auf den Plan und machte "A" oder "AE" über der 1000stel Sekunde am Verschlußzeitenknopf ab ca. 1975 zum wichtigsten Verkaufsargument..

Ultramatic
Was die äußere Form angeht, geben sich die Icarex und Contaflex 126 ein bißchen hausbacken und langweilig. Bis heute haben sie den Ruf so richtiger Altherren-Cameras...

Hier wäre es angebracht gewesen dass modernere Design der Voigtländer-Schwester Ultramatic aufzugreifen...

Diese letzte Zentralverschluß-SLR musste man schon 1969 wegen schlechter Verkaufszahlen einstellen....

Was sollen diese bloßen Spekulationen ? Nun, 1971 gibt Zeiss-Ikon die Aufgabe des Camerabaus bekannt,

weil angeblich am Standort Deutschland nicht mehr kostendeckend produziert werden kann

- kein Wunder, denn wenn die verkauften Stückzahlen gegen Null gehen, dann tendieren die Stückkosten (selbst bei geringen Löhnen) gegen unendlich!

 4 Jahre vorher hätte man es noch gekonnt, wie die obige Rechnung zeigt, wenn man keine verfehlte Modellpolitik betrieben hätte !



Abgesang für Zeiss-Ikon - die SL706
SL706

M42 SL706 Die letzte Zeiss-Ikon SLR (1972) war das letzte Modell der Icarex, mit Offenblendmessung. Ihr gönnte man nicht einmal mehr einen zugkräftigen Namen weil schon klar ist dass man den Camerabau einstellt. Die SL706 gibt es nur mit M42, und die Offenblendmessung funktioniert bloß mit den wenigen Objektiven die für diese Baureihe produziert wurden, mit einer vergleichsweise primitiv wirkenden Blendenübertragung neben dem Gewinde (am Objektiv und der Camera links zu sehen).
Alle anderen M42 Objektive arbeiten nur mit Arbeitsblendenmessung.

SL706

Auch die mechanische Qualität entspricht nicht mehr dem was man sich unter "Deutscher Wertarbeit" vorstellt (Link: Die SL706 von Innen)

Das Ende
Ende 1972 bringt NIKON, nun weltweit führender Hersteller von Qualitäts- und Profi-SLR Cameras in der "Nikkormat"-Klasse (Zielgruppe: anspruchsvolle Amateure und Semiprofessionelle) seinen ersten, elektronisch gesteuerten Zeitautomaten heraus: die EL. Die Deutschen Camerahersteller stehen angesichts dessen mit dem Rücken zur Wand, haben dem nichts mehr entgegenzusetzen. Das Rennen ist vorbei...


126er Cassettenkameras (eine gute Übersichtsseite aus USA)
Info über das 126er Filmformat (laut dieser Quelle gibt es noch einen Hersteller für 126er Cassetten)

contact:
taunusreiter "at" yahoo.de


(Neu: Der Niedergang des Hauses Voigtländer)
(Andere Westdeutsche Cameras der 60'er und 70'er Jahre)
(Rolleiflex SL350)
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